Nürnberger Zeitung, 16. November 1994

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Die Industrie zeigt für die Erfindung bisher noch wenig Interesse

Ein Hobbypilot entwickelte den Airbag für Motorräder


Bei vielen Autos gehört der Airbag schon zur Serienausstattung. Bei Motorrädern ist er dagegen noch eine unbekannte Größe. Dabei wäre der Lebensretter bei Bikes, die über keine Knautschzone verfügen, noch wesentlich wertvoller.

Der Garchinger Betriebswirt Wilhelm Jakobus will diesem Problem jetzt zu Leibe rücken, wie das Wissenschaftsmagazin PM berichtet. Er hat ein funktionierendes Konzept für einen Motorrad-Airbag in der Tasche. Die Idee für die Erfindung kam dem Gelegenheitsbiker aber nicht - wie zu vermuten wäre - beim Motorradfahren, sondern bei seiner eigentlichen Passion: dem Fliegen.

Dem Hobbymotorsegler fiel auf, daß Jetpiloten aus Sicherheitsgründen einen aufpumpbaren Anzug anziehen miissen. Denn in engen Kurven entstehen so hohe Beschleunigungskräfte, daß das Blut nicht mehr richtig zirkuliert. Der ,,Anti-g-Anzug" verhindert, daß der Pilot ohnmächtig wird. Er preßt den Körper zusammen, so daß das Blut nicht in die Beine sackt, sondern weiter zum Kopf fließt.

Ausgehend von der Idee, daß ein solcher Anzug auch den Aufprall nach einem Zweiradunfall schlucken müßte, entwickelte Jakobus ein Patent für einen Motorrad-Airbag - den sogenannten ,,Airall" (Airbag based protection over-all). Wie der Name schon sagt, handelt es sich um einen Overall, den der Fahrer wie einen normalen Lederkombi trägt. Über den Anzug sind bis zu zehn Sensoren an verschiedenen Körperteilen verteilt. Diese messen die Beschleunigungs- und Bremskräfte und leiten sie an einen zentralen Steuerchip weiter. Wenn der Mikroprozessor feststellt, daß die Werte steilansteigen, zündet er mehrere Gaspatronen, die den Anzug wie den Airbag im Auto aufblasen. Innerhalb von Millisekunden wird ein zwei Meter dicker Ballon aufgeblasen, der den in die Luft geschleuderten Fahrer einhüllt und seinen Aufprall auf der Straße abfedert. Ventile sorgen durch Luftablassen dafür, daß der Überlebensballon nicht hin- und herhüpft.

So gut die Idee auch ist, sie bleibt ohne Zuspruch. Obwohl Jakobus bei der 1. Airbag-Tagung der Fraunhofer-Gesellschaft von Wissenschaftlern für seine Erfindung den Sonderpreis verliehen bekam, sucht er bisher vergeblich nach Partnern in der Industrie, die sein Projekt finanziell unterstützen. Er trat schon an BMW und MZ heran - ohne Erfolg. ,Die schrecken vor den Entwicklungskosten von 15 Millionen DM zurück und zweifeln daran, ob ein 5000 DM teurer Airbag am Markt Erfolg haben kann"  begründet Jakobus das Dilemma. Schade. Denn schon 1999 könnte der Überlebensballon serienreif sein.

(Abbildungen ...)

Nach dem Aufprall wird ein zwei Meter dicker Ballon aufgeblasen, der den Motorradfahrer einhüllt und schützt.